Donnerstag, 17. Februar 2011

Ameisengedanken

London Heathrow, wirkt auf mich wie ein riesiger Ameisenhaufen. 
Es scheint so als rennen überall irgendwohin auf vorgegebenen Wegen ganz ganz viele kleine Menschlei herum. Und ohne dass ihnen jemand eine Richtung gezeigt hat, gehen die meisten entschiedenen und schnellen Schrittes durch die vielen Gänge… teilweise hetzen sie und sprinten fast, andere wiederum schlendern und drücken sich an den Schaufenstern von sehr hochwertigen Gütern ihre Ameisennasen platt. Wieder andere denken anscheinend, hier kennt mich ja eh niemand, und benehmen sich ganz wie zu Hause, also Füße auf den Tisch, Musik an, und Gespräche in Disko-Lautstärke.

Seit nunmehr 3h bin ich in diesem Mikrokosmos, den man als Transit-Reisender nicht mal für einen kurzen Moment verlassen darf, gefangen. Und bin überwältigt vom Gewimmel und Getümmel; vom Lärm und dem umtriebigen Durcheinander um mich herum. Dieser insgesamt 5stündige Aufenthalt nahm in der Vorstellung meiner Reise immer nur einen Bruchteil ein. Vor Ort angekommen merkt man erst, dass man nun wohl nicht mehr zu Hause ist. Jedoch fühlt es sich bisher wenig fremd an. Meinen Kaffee habe ich bei Starbucks freundlich serviert und den Tagesspiegel im Zeitungsladen bekommen. Auch die englische Sprache ist mir nicht ganz fremd… Ich bin also auf der ersten kleinen Etappe meines großen Abenteuers angekommen, fühl mich aber noch recht heimisch. Mal sehen wie das in Miami wird… vor allem ohne Koffer, der allem Anschein nach schon in Berlin falsch gebucht wurde und nun IRGENDWO hin geflogen wird… wohin weiß wohl niemand, da der Code auf meinem Etikett keine Informationen enthält. Ist ja zum Glück warm in Miami, wer braucht da schon groß was anzuziehen… Die zweite Hiobsbotschaft heute war dann, dass ich durch widrige Umstände (kein Mensch kann es mir erklären) plötzlich keinen Rückflug mehr nach Berlin habe. Die Rechnung die diese Buchung jedoch schwarz auf weiß beweist wird irgendwie ignoriert. Mich dünkt dies ist nicht so ganz mein Tag, aber vielleicht wird ja noch besser.
In Miami bleibe ich dann 3 Tage, bevor es am 03.03. endgültig nach Kolumbien geht.

Das Vorbereitungsseminar liegt nun schon ein paar Tage hinter mir. Trotz anfänglicher Skepksis darüber, was wir denn 10 Tage lang alle miteinander anfangen sollten, habe ich darüber nur Gutes zu berichten. Denn durch diesen Aufenthalt habe ich viele nette Menschen kennen gelernt und lieb gewonnen. Miteinander haben wir uns intensiv mit den verschiedensten Themen, Problematiken und Fragen beschäftigt und dabei viel über den Freiwilligendienst an sich, aber auch über unsere Rolle als Freiwillige erfahren können. Unzählige gemütliche Runden, spannende und lustige Spiele, tolle und interessante Gespräche und fetzige Tanzeinlagen rundeten diese schöne Erfahrung ab. Schon jetzt kann ich’s kaum erwarten die lieben Menschen wohlbehalten, den Kopf voller neuer und inspirierender Gedanken und Ideen, mit erweiterten Horizonten und spannenden Berichten über ihre Erfahrungen… vor allem aber mit einem Lächeln im Gesicht, zum Nachbereitungsseminar im August wieder zu sehen!

Back to reality. Eben gab es einen Aufruf für mich und die Information, dass mein Gepäckstück wohl noch aufgefallen sei und sie nun versuchen würden es mit mir nach Miami zu bringen. Versprechen könne man allerdings nichts (???). Also bleibt mir nicht als zu hoffen, dass irgendeine fleißige Ameise sich meinen 22kg schweren und wahnsinnig unhandlichen Traveller-Rucksack schnappt und ihn per Zufall vor dem richtigen Fluggerät ablädt… Wie kann man denn bei diesen Aussichten nicht besten Mutes sein?

In wenigen Minuten geht’s dann schlussendlich in den Koloss, der mich und gefühlte 500 andere Seelen hoffentlich heile über den Atlantik bringt. Geflogen bin ich schon oft, aber sich für knapp 10h auf so einen Platz zu schwingen ist schon etwas anderes befürchte ich. Da wäre es doch mal eine Idee, wenn man sich die Sitznachbarn vorher auswählen dürfte, oder? Ich werde das mal noch der freundlichen Ameise von der Airline vorschlagen. Ich denke das sollte sich durchsetzen.  Fröhliches-Speed-Sitznabar-Dating (FSSD) oder so… Entgegen meiner sonstigen Maxime habe ich mich dann diesmal zum allerersten Mal in meinem Vielflieger-Leben sogar bewusst für einen Gangplatz entschieden… in der weisen Voraussicht vielleicht doch ab und an mal die Beinchen ausstrecken zu können.
Das schöne an diesem Trip gerade ist ja auch das „Vorwärts-Reisen“! Nach Berliner Zeit komme ich am späten Abend an, wohingegen es in Miami dann erst nachmittags ist. Das finde ich prima und da ich mich bei der Rückreise in einigen Monaten über das „Rückwärts-Reisen“ genug ärgern werde, sollte ich mich nun umso mehr freuen.

Fast 40min habe ich nun auf diesem Holzstuhl verbracht und diese wenigen Worte niedergeschrieben. Ich wüsste gern, wie viele Ameisen in dieser Zeit an mir vorbei gerauscht sind.

Eben kam ein kleines Mädchen zu mir und fragte mich mit einem bezaubernden britischen Akzent, wohin mich mein Flugzeug gleich bringt. Ich teilte ihr freudestrahlend mein nächstes Reiseziel mit und wurde mit einer oscarreifen Darstellung des allzu bekannten Hits von Will Smith belohnt.

Es scheint also doch noch ein guter Tag zu werden… 

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